Vernichtung der Lebensräume

Vernichtung der Lebensräume


  • Vernichtung der Lebensräume unserer Vögel durch Monokultur, Rodung von Bäumen, Hecken, Sträuchern, Zuschüttung von Feuchtmulden, Pestizide-Vergiftung, das Töten von Millionen Vögeln jährlich durch Katzen, Anlegen von Gärten mit heruntergehobeltem Rasen (jemand nannte sie "Psychopathenrasen"), sterilen Steingärten, zubetonierten Grundstücken, usw.
  • Die Roten Listen der gefährdeten Arten werden immer länger – eine Schande für eine Kulturnation!
  • Vögel brauchen Futter- und Wasserstellen – ganzjährig und besonders zur Brutzeit Mai/Juni (das Vogelfutter ist für die Eltern, damit sie die wenigen Insekten, die sie noch finden, an die Jungen verfüttern können)
  • Achtung! Bitte kein Brot verfüttern, auch keine Samen aus anderen Kontinenten, die oft dem Vogelfutter beigemengt sind; diese Pflanzen sollen sich bei uns nicht ausbreiten
  • Gestalten Sie Ihren Garten oder Balkon naturnah, z.B. wenigstens einen Teil des Gartens als Bienen- und Schmetterlingswiese, sorgen Sie für Nistkästen, Insektenkästen, Vogelhäuschen, wassergefüllte Schalen, usw.
  • Wenn alle Gärten naturnah wären, dann hätten wir deutschlandweit einen Biotopverbund, Prof. Dr. Berthold, Ornithologe
  • Naturschutz ist auch Gesundheitsschutz für uns Menschen
  • Wir brauchen viele Vögel und Insekten, also viel Biodiversität – das ist unsere Überlebensversicherung


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In einem Interview mit chrismon sagt Vogelexperte Peter Berthold,

was man gegen das Vogelsterben tun kann


Viele Vögel sind nicht mehr da
Es gibt immer weniger Vögel in Deutschland.

Sie finden kein Futter für ihre Jungen.

Was kann man tun?

Der renommierte Vogelexperte Peter Berthold hat ein paar Ideen, wie man den Schwund wenigstens bremsen könnte.


chrismon: Was würde mir fehlen, wenn es keine Vögel mehr gäbe?

Peter Berthold: Wahrscheinlich würden Sie schwermütig werden, wenn Sie nur noch durch tote Natur fahren, nur noch andere Menschen und Straßenlärm hören, aber nicht mehr dieses Vogelstimmenkonzert.

Es rufen jetzt schon viele Leute bei mir an: Herr Berthold, wir machen uns allmählich große Sorgen, es kommen immer weniger Vögel an unser Futterhaus, das geht uns richtig aufs ­Gemüt! Andere Leute sagen: Wir fliegen nicht mehr nach Mallorca, sondern gehen hier bei uns spazieren, aber wir hören gar keine Lerche mehr singen! Oder einen Schwarm Stare wie früher, jetzt kommen mal zwei, drei Stück – das ist ja furchtbar!

Was ist passiert?


Wir verlieren Vögel und zwar immer schneller. Der Schwund ging bereits um 1800 los, war aber bis etwa 1950 relativ harmlos: 15 Prozent weniger Vögel. Seit 1980 ist es eine galoppierende Schwindsucht. Wir haben mittlerweile 80 Prozent weniger Vögel in Deutschland! Wo früher fünf Vögel zwitscherten, ist es heute nur noch einer. Derzeit verlieren wir jedes Jahr etwa ein Prozent unserer Vogelindividuen. Auf jeden Einwohner Deutschlands kommen gerade noch anderthalb Vögel.


chrismon: Wieso sterben uns die Vögel weg?
Peter Berthold: Ihre Lebensräume werden vernichtet, sie finden keine Nahrung mehr. Bei den Insekten geht der Schwund noch schneller, die werden zusätzlich noch vergiftet durch die Pestizide im Ackerbau. Die Roten Listen der gefährdeten Arten werden immer länger. Eine Schande für eine Kulturnation!


chrismon: Warum haben dann manche Vogelarten zugenommen – trotz der feindlichen Umwelt? So charismatische Arten wie Uhu, Storch, Seeadler . . .

Peter Berthold: Das ist einfach zu beantworten: Den Uhu, der fast ausgerottet war, züchtete man nach; der kann jetzt ganz gut leben, weil es am Rand der Städte mittlerweile so viele Ratten gibt. Dass wir wieder ein paar mehr Störche haben, liegt daran, dass wir nachgezüchtet haben, ausgewildert und zugefüttert. Aber in Mecklen­burg-Vorpommern, unserem eigentlich besten Storchenland, nehmen die Störche weiter ab. Warum? Weil all die herrlichen Wiesen, wo der Storch sein Essen findet, umgewandelt werden in Maisfelder, Getreidefelder, Kar­toffelfelder. Beim Seeadler gibt es gut 500 Paare – da wird jeder einzelne Horst bis zum Ausfliegen der Jungen bewacht.


chrismon: Wo ist denn dann der Schwund?


Peter Berthold: Bei über der Hälfte der Vogelarten. Es gibt ­keine "Allerweltsarten" mehr. Ja, Kohlmeise oder Amsel kommen noch recht häufig vor, aber der Star, die Schwalbe, die Feldlerche ­waren auch mal sehr häufige Vögel.

Die Feldlerche ist die, die sich über einem Acker spiralig hochschraubt und dabei ununterbrochen trillert?

Genau. Es gibt nur noch einen Restbestand an Lerchen. Weil unsere Felder als Lebensraum überhaupt nicht mehr taugen. Das "Unkraut" ist rausvergiftet. Früher verfütterten die ­Lerchen die Insekten auf diesen Wild­kräutern an ihre Jungen, sie selbst fraßen die Wildkrautsamen. Die Lerche findet auch ­keinen Platz mehr zum Brüten, sie brütet ja am ­Boden. Die Felder sind inzwischen so dicht gesät. Und dann noch meist mit Winter­getreide, das wird im Herbst gesät und ist im Frühjahr schon so hoch, dass die Lerche ­keinen Fuß auf den Boden bekommt. Früher hat man gesagt: "Der Himmel hängt voller Lerchen." Da ­können Sie heute weit suchen. Da müssen Sie nach Ost­polen, nach Rumänien, nach Bulgarien.


chrismon: Reicht das nicht, wenn es in Rumänien noch genügend Vögel gibt?

Peter Berthold: Nein, wir brauchen auch hier viele Vögel. Überhaupt viele Arten, also viel Biodiversität. Das ist unsere Überlebensversicherung. Wenn es zu wenig Arten gibt, wird das Ökosystem instabil, dann genügt ein einziger ­neuer Schädling, und unsere Ernte ist vernichtet. Nehmen Sie den Obstbau hier am Bodensee. Die Plantagen werden heute 25-mal im Jahr gespritzt. Da geht kein Vogel mehr rein. Deswegen freuen sich jetzt Schädlinge wie die Kirschessigfliege, die neu zu uns gekommen ist. Gegen die helfen keine Insektizide. Die Spätkirschen letztes Jahr konnte man nur wegwerfen.

 

chrismon: Und was hat das mit den Vögeln zu tun?

Peter Berthold: In meinem gemischten Obstgarten, ein ­Hektar groß, hab ich etwa hundert Nistkästen hängen. Meine Obstbäume werden jeden Tag bestimmt zehnmal von Meisen durchsucht. Bis die Kirschessigfliege zum Zuge kommt, ist die Ernte längst eingebracht.


chrismon: Sie kritisieren die "industrielle Agrarlandschaft" – was genau stört Sie?

Peter Berthold: Die ausgeräumte Landschaft. Man hat alle ­Hecken, Bäume, Sträucher gerodet, damit man mit den Landmaschinen ohne Umwege die Äcker bearbeiten kann. Man hat Tümpel und feuchte Mulden zugeschüttet. Und man bringt jede Menge Gift aus. Früher waren auf den Feldern geschätzt 70 Prozent Nutz­pflanzen und 30 Prozent Wildkräuter – und die waren die Abstandhalter gegen über­springende Krankheiten. Heute sind es meist 99,9 Prozent Nutzpflanzen.


chrismon: Aber wir haben doch so viele Naturschutzgebiete! Auf vier Prozent der Fläche Deutschlands. Warum werden die Vögel trotzdem weniger?

Peter Berthold: Die meisten Schutzgebiete sind zu klein, sie liegen zu weit auseinander, und sie bieten zu wenig Schutz: Wiesen dürfen weiter gemäht werden, egal wie viele Vogelnester drin sind, Spaziergänger lassen ihre Hunde frei laufen.


chrismon: Was ist schlimm an einem freilaufenden Hund?

Peter Berthold: Der Kiebitz zum Beispiel, eine Vogelart, die bald ausgestorben sein wird, sagt sich: Um Gottes willen, Wolfsland! Hier ist mein Nest nicht sicher. Abgesehen von ein paar wenigen – wie dem Federsee in Oberschwaben mit seiner großen unbetretbaren Kernzone –, funktionieren die meisten Naturschutzgebiete nicht gut.


chrismon: Auch Gärten machen fast vier Prozent Deutschlands aus. Könnten die vielleicht der Tierwelt nützen?

Peter Berthold: Ja! Wenn man die so gestalten würde, wie mein Garten aussieht. Ich hab 500 Quadratmeter, vollständig bewachsen mit Bäumen und Sträuchern und Stauden, dazu Nistkästen und Vogelfutterstellen. Es brüten jedes Jahr 15 bis 20 verschiedene Vogelarten bei mir.


chrismon: Was halten Sie von Deutschlands Gärten?

Peter Berthold: Zu über 90 Prozent sind das Psychopathen­gärten mit runtergehobeltem Psychopathenrasen.

Es ist eine Frechheit, ein Stück des von Gott gegebenen Landes so zu missbrauchen! Wenn ich Kaiser von Deutschland wäre, ­würde ich ein Dekret erlassen: Ab 1. Januar 2019 hätte jeder Garten so und so bepflanzt zu sein, und wer das nicht macht, dem wird der ­Garten weggenommen. Dann be­kämen an­dere ­Leute den Garten, zum Beispiel Flüchtlinge, die ­würden da Gemüse anbauen, Zwetschgen, Äpfel – wunderbar. Wenn alle Gärten naturnah wären, dann hätten wir deutschlandweit einen Biotopverbund.


chrismon: Klingt nach einer Riesenaktion...

Peter Berthold: Nein, es reicht oft wenig, um sofort eine gewisse Biodiversität zu erhalten. Wenn ich in großen Städten bin, zähle ich morgens vom Hotelbett aus die Vögel, die ich durchs offene Fenster höre. In einer Nebengasse beim Kölner Dom, reine Betonwüste, hörte ich zum Beispiel eine Mönchsgrasmücke. Später guckte ich mir die Umgebung an und stellte fest: Mensch, da ist ein ganz kleiner, toller Garten, an der Hauswand wächst Efeu hoch, oben ist ein begrünter Balkon, drüber ein Dachgarten. Schon hat man eine kleine Oase, wo lauter Viecher drin sind.

Nun sind Sie nicht unser Kaiser, sondern wir haben eine gewählte Bundesregierung. Die hat sich in internationalen Abkommen verpflichtet, das Artensterben zu stoppen, also auch den Vogelschwund, und zwar bis 2020. Wieso geht es trotzdem mit den ­Vögeln ­weiter bergab?

Weil das reine Absichtserklärungen waren, nur Geschwätz und Papier, ohne dass irgend etwas gemacht worden wäre, dass die Roten Listen nicht länger werden.


chrismon: Setzen Sie noch Hoffnung auf die Politik?

Peter Berthold: Auf die Politik nicht. Aber auf die Bevölkerung. Jetzt gilt es anzupacken.


chrismon: Was könnte jeder sofort tun?

Peter Berthold: Vögel ganzjährig füttern!


chrismon: Nicht nur im Winter bei Schnee?

Peter Berthold: Nein, denn die härteste Zeit für einen Vogel ist nicht der Winter, sondern die Brutzeit im Mai, Juni. Da arbeiten die Vögel von morgens vier Uhr bis abends zehn Uhr bis zum Umfallen, um ihre Jungen mit Raupen und Insekten zu versorgen. 


chrismon: Aber ich verfüttere doch keine Insekten, sondern Sonnenblumenkerne, Erdnüsse, Fettknödel . . .

Peter Berthold: Genau, das ist das Futter für die Eltern, damit sie die paar Insekten, die sie noch finden, an die Jungen verfüttern können, die Jungen kriegen ja tierische Nahrung. Und wenn in der Not der Altvogel seine Jungen mit Ihrem Vogelfutter füttert, ist das immer noch besser als nichts.


chrismon: Und wenn die Jungen doch mal was Falsches in den Hals gesteckt kriegen?

Peter Berthold: Dann spucken die das wieder aus. Wir haben im Max-Planck-Institut ja Tausende Vögel von Hand aufgezogen. Ungeeignetes haben Sie dann – batsch – sofort an der Brille hängen.


chrismon: Werden die Vögel dann nicht faul?

Peter Berthold: Nein. Wenn die Vögel richtig schlechte Tage haben – nehmen wir mal einen Junitag, sechs Grad, regnerisch, keine Insekten unterwegs, die Jungen knapp vorm Eingehen –, gehen die Eltern nach jeder Fütterung der Jungen an die Meisenknödel. Dann gibt es schöne Tage mit 28 Grad – und keiner ist an Ihrer Futterstelle. Die sind alle draußen und suchen ihr Natur­futter zusammen. Vögel lassen sich nicht "durch-
füttern", das ist immer nur ein Zufüttern.


chrismon: Aber wenn immer nur Allerweltsarten ­kommen, wie Kohlmeise, Blaumeise, Spatz – wem nützt die Fütterung dann überhaupt?

Peter Berthold: Häufigere Arten sehen Sie natürlich auch häufiger. Aber auch die Kohlmeise hat abgenommen, und vor allem nimmt ihr Bruterfolg laufend ab. Was glauben Sie, wie viele Leute mich jedes Jahr anrufen und sagen: Herr Berthold, jetzt hab ich in meinem Garten zwei Nistkästen aufgehängt, endlich brütet, Gott sei Dank, ein Kohlmeisenpärchen, und da haben wir mal reingeschaut, ja, weiß ich, soll man nicht, aber die hatten neun Eier, und jetzt sind gerade mal zwei Junge drin – woran liegt das? Na ja, sag ich, die haben nichts zu fressen, die finden nur Futter für zwei Junge, nicht für neun.


chrismon: Aber ich möchte doch auch anderen Vogelarten helfen!

Peter Berthold: Sie müssen warten. Auch wenn dann eine Haubenmeise nur einmal die Woche kommt, erhöht die Fütterung ihre Überlebenschance.


chrismon: Was nützt das Zufüttern am Ende?

Peter Berthold: Mehr Eier, größere Eier, fittere Junge, so dass mehr Junge tatsächlich flügge werden.


chrismon: Aber den Lerchen hilft meine Fütterei nicht, oder?

Peter Berthold: Nein, den Lerchen nicht. Auch nicht den Schwalben und Mauerseglern. Sie können ja nicht Insekten in die Luft blasen. Wir ­retten mit dem Zufüttern und mit naturnahen ­Gärten nicht die Welt, aber wir können sehr, sehr viele Individuen vieler Arten retten.


chrismon: Was haben Sie eigentlich gegen Katzen?

Peter Berthold: Nichts. Ich mag Katzen. Aber freilaufende ­Katzen bringen jedes Jahr Millionen Vögel um in Deutschland.


chrismon: Auf Bauernhöfen gab es doch auch immer Katzen.

Peter Berthold: Aber die blieben auf dem Hof, weil es da wegen des Getreides so viele Mäuse gab. Wenn eine Katze sich ihre Nahrung selbst besorgen muss, jagt sie Mäuse, die sind leichter zu fangen als Vögel. Heute kriegt die Katze ihr Fressen hingestellt, draußen geht sie auf Sportjagd. Man kann Katzen drinnen halten, wenn sie das von klein auf kennen. Mit genügend Beschäftigung natürlich und am besten noch einer anderen Katze. Selbst wenn eine Katze nicht jagt, führt schon ihre Anwesenheit dazu, dass Vögel ihre Brut vernachlässigen. Eine Amsel macht, wenn eine Katze im Garten war, noch eine halbe Stunde lang ihren Warnruf: dik, dik, dik. Das ist richtig schlimm für ihre Jungen, wenn die solange nichts zu futtern kriegen.


chrismon: Vogelfüttern und Garten umgestalten, schön und gut. Was könnten gutwillige Menschen noch tun gegen den Vogelschwund?

Peter Berthold: Ich hoffe, dass die Menschen deutschlandweit mitmachen bei der von mir angestoßenen ­Aktion "Jeder Gemeinde ihr Biotop". Ich ­wünsche mir eine Volksbewegung! Wir haben 11 000 politische Gemeinden in Deutschland. Wenn die alle mindestens ein Biotop einrichten ­würden wie wir hier im Biotopverbund Bodensee, hätten wir ein dichtes Netz mit ­immer nur wenigen Kilometern dazwischen. Am besten ist, einen Weiher zu schaffen, denn Feuchtgebiete haben die größte Artenvielfalt.


chrismon: Wie packe ich das an?

Peter Berthold: Alleine schaffen Sie das nicht. Also erste ­Frage: Welche Gleichgesinnten habe ich in meiner Gemeinde im Kreis von Bekannten, Freunden, Verwandten? Dann setzt man sich mal zu­sammen und überlegt. Da sagt vielleicht einer: Hör mal zu, da unten die nasse Wiese neben dem Sportplatz, die gehört einem Onkel von mir, der hat die an einen Landwirt verpachtet. Also redet man mit dem Onkel. Der sagt: Wenn der Landwirt einverstanden ist...? Dann sagt einer: Müssen wir da nicht mit dem Stadtrat mal reden? Das ist der nächste Schritt. Der Stadtrat sagt: Da müsst ihr mal beim Landratsamt fragen, ob das Wasserschutzgebiet ist. Und dann ist man bereits in einer Machbarkeitsstudie drin.

Wenn man diesen Winter, wo es so viel geregnet hat, mit dem Zug fuhr, sah man viele Felder, die unter Wasser standen.

Ganz genau. Das wären alles ideale Äcker für so eine Renaturierung. Die Landwirte nennen das "Unland". Die sind froh, wenn sie das loswerden. Ein bis zwei Hektar bräuchten Sie mindestens; ein Hektar ist ungefähr so groß wie ein Fußballfeld.


chrismon: Warum ist so ein Biotop besser als das ­klassische Naturschutzgebiet?

Peter Berthold: Weil dieses Biotop nicht von irgendeiner ­fernen Landesbehörde eingerichtet wurde, sondern von den Leuten selbst. Die fühlen sich zuständig für "ihre" Naturoasen und passen darauf auf.


chrismon: Ist das nicht Käseglocken-Naturschutz?

Peter Berthold: Nein, das soll auch für die Menschen schön sein. Wir machen eine Aussichtsplattform, ­einen Spazierweg drumherum und Schilf-­Erlebniszonen – eine Tabuzone ist nur innendrin und der größte Teil des Ufersaums. Für den Schutz sorgen Hecken, fünfreihig, die sind zehn Meter breit und so dicht, dass kein Hund durchkommt. Und gegen die "Naturfreunde" mit ihren Fotoapparaten legen wir allerlei Wassergräben an.

Was kostet das? Da muss ja irgendwann auch ein Planungsbüro beauftragt werden, ein Bagger muss kommen...

Deutschlandweit bei 11 000 Biotopen? Das kostet viel weniger als Stuttgart 21 oder als der neue Flughafen Berlin-Brandenburg. Vom Geld her ist das eigentlich kein Problem. In Deutschland ist enorm viel privates Ver­mögen vorhanden. Fast immer entstand es letztendlich auf Kosten der Natur. Man könnte mit einem kleinen Teil dieses Geldes etwas wieder­gutmachen.


chrismon: Ist das dann eine heile Welt, so ein Biotop?

Peter Berthold: Nein, aber es ist viel mehr Leben drin als ­vorher. Da, wo wir am nördlichen Bodensee unser erstes Biotop angelegt haben, den Heinz-­
Siel­mann-Weiher, war vorher Landwirtschaft, das hat ausgesehen wie Steppe. Da brüten jetzt viele neue Vogelarten: Weißstorch, Zwerg­taucher, Milan, Graureiher... Aber das Braunkehlchen zum Beispiel können wir nicht mehr herlocken, das ist zu ausgedünnt. Auch einen Kiebitz hatten wir noch nicht, geschweige denn ein Rebhuhn. Die werden vermutlich aussterben. Wenn wir so weitermachen, wie wir jetzt am Werke sind...


chrismon: Wie viel Zeit haben wir noch?

Peter Berthold: Das weiß nur der Herrgott. Aber wenn wir es in den nächsten zehn Jahren nicht schaffen, den Rückgang zu stoppen und die Vogelpopulation allmählich wieder aufzubauen – dann wird für uns wohl das Abschiedsläuten folgen.

Wichtigster Grundsatz, wenn ich so was ­anpacke?

Keine Zeit verplempern mit Anklagen und Protesten, sich nicht verkämpfen. Das schafft nur Gegner. Stattdessen müssen alle erleben: Wo wir auftreten, geschieht immer etwas ­Positives und Beglückendes, für die Natur und für ihre Freunde.


chrismon: Freut sich echt jeder?

Peter Berthold: Ja, denn jeder Mensch hat eine angeborene Naturbegeisterung. Wenn Sie eine Schul­klasse mit Zehnjährigen fragen: Sollen wir Fußball spielen oder turnen oder malen – oder sollen wir gucken, was im Wald und im Bach so alles unterwegs ist? Da sind alle Feuer und Flamme. Mädchen, die zu Hause bei jeder Spinne hören, dass man mit Salto rückwärts die Wohnung verlassen muss, die stehen plötzlich mit den Pfoten im Schlamm und bringen eine Wasserwanze raus. Wo ich sag: Nicht fest anfassen, die sticht wie der Deifel! Was? Mich hat sie noch nicht ge­stochen. Und schon nimmt sie der Nächste in die Hand. Unfasslich!


Quelle: https://chrismon.evangelisch.de/personen/peter-berthold-38331

 

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